Bei keinem Thema klafft in der Wahrnehmung bezüglich der Einstellung und der Einsatzbereitschaft der Generationen eine so große Lücke wie in der Arbeitswelt. Dem Nachwuchs wird nachgesagt, den Beruf hintenanzustellen, die älteren Arbeitnehmer*innen gelten als teuer und unflexibel. Dabei fehlt es durch den Fachkräftemangel an allen Ecken und Enden. Durch ältere Mitarbeiter*innen könnte die Not abgeschwächt werden. Wie sieht es aber mit dem vorzeitigen Ruhestand und der Rente aus? Der Gesundheitsreport 2024 der Techniker Krankenkasse untersucht die Jobbedingungen der Best Ager.
Zu Recht werden die zwischen 1950 und 1964 geborenen Menschen als die Generation der Babyboomer bezeichnet, denn mit über einer Million Geburten pro Jahre war der Zeitraum Mitte der Sechziger die geburtenstärkste Phase in Deutschland. Im letzten Jahr 2023 waren es nicht mal mehr 700.000 Geburten pro Jahr. Problem ist, dass die Boomer in Kürze aus dem Arbeitsleben ausscheiden, allerdings zu wenig junge Beschäftige nachrücken. Helfen könnte es, die angehenden Rentner*innen zum Beispiel durch Teilzeitjobs oder andere flexible Angebote noch etwas länger zu halten. Die Altersdiskriminierung im Beruf spricht eine andere Sprache. Und was wollen eigentlich die Arbeitnehmer*innen über 50?
TK befragt über 1.000 Erwerbstätige ab 50
Rückschlüsse über die Auswirkungen des demografischen Wandels bekommt man, indem man die Menschen direkt nach ihrer Meinung und Einstellung befragt. Für den Gesundheitsreport 2024 hat die Techniker Krankenkasse eine aktuelle Befragung von mehr als 1.000 Berufstätigen ab 50 Jahren durch das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) durchgeführt. Und deren Antworten zeigen einen beunruhigenden Trend, denn mit 31,1 % plant fast ein Drittel der älteren Erwerbstätigen ab 50 Jahren, sogar schon vor dem gesetzlichen Rentenalter aus dem Job auszuscheiden.
Die Expert*innen haben zu der Entwicklung des frühzeitigen Renteneintritts eine klasse Meinung: „Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist es für Arbeitgeber unerlässlich, die Generation 50+ noch stärker in den Fokus zu rücken“, so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. „Ältere Beschäftigte sind eine wertvolle Ressource für die Unternehmen. Sie verfügen über großes Erfahrungswissen, sind gut vernetzt und haben sich in der Regel über Jahre an ihrem Arbeitsplatz bewährt.“
Ältere Beschäftigte sind eine wertvolle Ressource für die Unternehmen.
Dr. Jens Baas (Vorstandsvorsitzender der TK)
Bindung der Älteren für Arbeitgeber wichtig
Einige Entwicklungen machen Hoffnung, denn viele Unternehmen und Institutionen haben die wertvolle Ressource der älteren Mitarbeiter*innen bereits erkannt. In einer weiteren Befragung des IFBGs ging es um ein Stimmungsbild in mehr als 300 Betrieben aus dem ganzen Bundesgebiet. Und hier bestätigen mit 77 % über drei Viertel der befragten Personalverantwortlichen sowie Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, dass die Bindung von älteren Beschäftigten in den nächsten drei Jahren eine große Bedeutung für ihre Unternehmen haben wird. Das ergibt sich auch durch die Tatsache, das bei 46 % der Unternehmen mehr als ein Viertel der Belegschaft in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand gehen wird.
Top-Wunsch der Beschäftigten: Flexiblere Arbeitszeiten
Wie aber können ältere Beschäftige vom frühzeitigen Renteneintritt abgehalten oder sogar nach dem Erreichen der Rente zu einer Teilzeitlösung motiviert werden? Die Generation 50plus hat dazu recht konkrete Wünsche an die Arbeitgeber*innen, um ihr Ausscheiden aus dem Arbeitsleben aufzuschieben. Natürlich ist das auch eine monetäre Angelegenheit, mit 66,5 % wünschen sich zwei Drittel ein höheres Gehalt. Das wird aber getoppt von dem Wunsch nach Maßnahmen zur flexibleren Arbeitszeitgestaltung der Ü50-Jährigen, den 73,7 % an erster Stelle nennen. Einen individuellen Renteneintritt wünschen sich 70,3 % der Befragten.
Wie in der Grafik zu sehen, liegen Wunsch und Wirklichkeit in einigen der gewünschten Aspekte jedoch ziemlich weit auseinander. Gerade den Wunsch nach den flexibleren Arbeitszeiten erfüllen aktuell nur 57 % der gefragten Arbeitgeber*innen. Und auch den Übergang in den Ruhestand begleitet mit 48,8 % nicht mal jedes zweite Unternehmen mit individuellen und auf den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin zugeschnittenen Lösungen. Eine Übereinstimmung gibt es eigentlich nur in zwei Punkten, nämlich bei der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Teilzeit und Vollzeit sowie bei den gesundheitsförderlichen Maßnahmen.
„Darüber hinaus zeigt die Studie einen deutlichen Zusammenhang zwischen positiver Unternehmenskultur und dem Wunsch der Beschäftigten, später in den Ruhestand zu gehen“, erklärt Dr. Fabian Krapf, Geschäftsführer vom IFBG: „Wer mehr Wertschätzung, Selbstbestimmung und Flexibilität am Arbeitsplatz erlebt, der arbeitet auch länger.“ Daher sei es wichtig, genau an diesen Stellschrauben anzusetzen.
Gesundheit wichtig für längeres Arbeiten
Um dem Namen des Gesundheitsreports gerecht zu werden, wurde natürlich auch ein Spotlight auf die Gesundheit gesetzt. Denn die ist eine ganz wesentliche Basis für ein langes Arbeitsleben. Um das zu untermauern, wurden vom Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua-Institut) die Abrechnungsdaten von mehr als 420.000 bei der TK versicherten Berufstätigen aus den Geburtsjahrgängen 1948 bis 1956 auswertet, die in den Jahren zwischen 2014 bis 2023 ein Alter von 67 Jahren erreichten oder verstorben waren.
Jeder zehnte Rentner bleibt berufstätig
„Es zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Fehlzeiten der Beschäftigten in jüngeren Jahren und dem längeren Arbeiten über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus“, erklärt Dr. Thomas Grobe vom aQua-Institut. „Von den Beschäftigten, die im Jahr 2012 im Vorfeld des Beobachtungszeitraums keinen einzigen Tag arbeitsunfähig gemeldet waren, waren 14,1 Prozent mit 67 Jahren, also nach ihrem regulären Renteneintritt, immer noch berufstätig. Von den Beschäftigten, die 43 Tage oder mehr krankgeschrieben waren, waren es nur 7,1 Prozent.“
Durchschnittlich 11,6 % der Beschäftigten arbeiten über die Renteneintrittsgrenze hinaus. Manchmal aus Spaß oder für das Gefühl, noch gebraucht zu werden. Manchmal jedoch auch, um zusätzlich zur Rente noch Geld dazu zu verdienen. Hier zeigt sich, wie wichtig die Gesundheitsförderung ist. Und optimalerweise startet diese bereits frühzeitig und über alle Altersgruppen hinweg. „Dadurch lassen sich nicht nur kostenintensive Fehlzeiten reduzieren. Je früher Arbeitgeber gesunde Arbeitsbedingungen schaffen, desto länger bleiben die Beschäftigten auch motiviert und leistungsfähig“, so Kassenchef Baas.
Berufstätige 50+ haben zehn Fehltage mehr als Jüngere
Laut TK-Report waren 2023 bei der TK versicherte Berufstätige ab 50 Jahren durchschnittlich 25,9 Tage krankgeschrieben. 14,5 Prozent fehlten sogar 43 oder mehr Tage krankheitsbedingt am Arbeitsplatz. Zum Vergleich: Bei den Berufstätigen unter 50 Jahren lag die Zahl der Fehltage 2023 bei 16 Tagen pro Kopf. Lediglich 7,7 Prozent der Jüngeren fehlten 43 Tage oder mehr.