Die Körperkunst der Tätowierungen spaltet die Nation. Die einen halten es immer noch für abstoßend, für andere ist es ein individueller Ausdruck einer bunten Lebensgeschichte. Egal, zu welchem Lager ihr zählt, solltet ihr euch den Film „Flammend‘ Herz“ aus dem Jahr 2004 unbedingt mal ansehen. Drei etwas kauzige alte Männer erzählen ihre Geschichte über Freundschaft und Tattoos. Und das ist berührend, derbe, lustig, tragisch und auch ein bißchen „typisch Hamburg“…
Karlmann Richter, Herbert Hoffmann und Albert Cornelissen sind bis auf den Kopf am ganzen Körper tätowiert. Im Jahr 2004 veröffentlichten Oliver Ruts und Andrea Schuler diesen wunderbaren Film über die drei schrulligen Freunde, die zu dem Zeitpunkt zwischen 86 und 90 Jahre alt waren. Mittlerweile sind alle drei verstorben. In den Sechzigern hatten sie sich in Hamburg kennengelernt. Dort betrieb Herbert die „Älteste Tätowierstube“ auf dem Hamburger Berg nahe der Reeperbahn und die drei tätowierten nicht nur zusammen, sondern wurden Freunde.
Ihre Lebensgeschichte ist deshalb besonders, weil Tattoos zu dieser Zeit nur von Knackis und Seemännern getragen wurden und sie somit immer wieder in der Gesellschaft an Grenzen stießen. Zwei von ihnen sind homosexuell, was zu Anfeindungen und Problemen führte. Und natürlich zeichnen sie auch die Geschichten rund um ihre Tattoos nach, die zum Teil kaum noch zu erkennen sind. Mit derbem Schnack erzählen sie vom Feldzug nach Russland, vom Hamburger Kiez, von Gefangenschaft, von Frauen – und Männern.
Flammend‘ Herz – Protagonisten
Unterschiedlicher als die drei alten Männer kann man kaum sein. Ein Richter, ein Seemann, ein Tätowierer – wir stellen euch die bunten Jungs kurz vor.
Herbert Hoffmann (1990-2010)
Herbert ist ein Sohn strenger Eltern und sollte eigentlich deren Metzgerei übernehmen. Allerdings entdeckt er sein Interesse für Tätowierungen und eröffnet 1961 sein erstes Tattoo-Studio in Hamburg. Nach der Übernahme des Studies „Älteste Tätowierstube“ wird erst Karlmann und später auch Albert dort Mitarbeiter, bis Herbert den Laden 1981 verkauft und in die Schweiz auswandert.
Karlmann Richter (1913 – 2005)
Karlmann stammt aus einer wohlhabenden Familie in Kiel und entdeckt bereits früh seine Homosexualität. Allerdings lebt er die noch nicht aus, sondern sucht sich auf Druck seiner Eltern eine Ehefrau, bekommt vier Kinder und arbeitet als Richter. Er spät offenbart er seine wahren Wünsche und trennt sich. So verliert er auch den Kontakt zur Familie und zieht nach Hamburg, um als Tätowierer zu arbeiten.
Albert Cornelissen (1913 – 2010)
Albert stammt aus Holland, ist Seemann und der einzige der drei Kumpels, der auf Frauen steht. Viele davon hat er auf der Haut verewigt. folgt offen seinen Neigungen. Viele seiner Lieben sind mit Nadel und Tinte auf seiner Haut verewigt. Nach turbulenten Jahren heiratet er, lässt sich in Hamburg nieder und arbeitet ebenfalls bei Herbert in der Tätowierstube.
Dieser tolle Film passt sehr gut zu NOT TOO OLD, denn er ist ein wundervolles und immer aktuelles Portrait von drei Originalen, die ihr „Ding“ durchgezogen haben und sich nicht von Normen und Problemen haben davon abbringen lassen. Und wenn sie dann am Ende mit Gehstock und ihren weißen Bärten angezogen auf einer Bank sitzen, dann wird deutlich, dass die echten Geschichten eines Menschen erst dann sichtbar werden, wenn man genauer hinguckt. Und so ist „Flammend‘ Herz“ zwar auch eine Hommage an die Tätowierkunst, aber eben auch eine Dokumentation über den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung.
Linktipps
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Älteste Tätowierstube | die-aelteste.de |
Fotos © Timebandits Film