Gerade haben wir schon mit dem Movember wie jedes Jahr darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Kerle für gesundheitliche Fragen sensibilisiert werdet, Termine zur Vorsorge wahrnehmt und auch in den eigenen Körper reinhört, um Signale zu erkennen und rechtzeitig von Profis deuten zu lassen. Und nun haben wir zum Internationalen Tag des Mannes am 19. November gleich den nächsten Anlass mit einem ähnlichen Thema auf dem Tisch. Denn während man Männern mit einem Augenzwinkern nachsagt, schon bei einer Grippe lebensbedrohlich erkrankt zu sein, gibt es bei ernstzunehmenden Krankheiten und dem Umgang damit immer noch Nachholbedarf.
Männer gehen immer noch deutlich seltener zu Vorsorgeuntersuchungen als Frauen, wie eine aktuelle Umfrage der Telemedizin-Plattform GoSpring mit dem Marktforschungsinstitut Appinio belegt. Aber wo liegt bei den Vorsorge-Muffeln eigentlich das Problem?
Zum Internationalen Tag des Mannes am 19. November kommentiert Prof. Christian Wülfing, Chefarzt der Urologie in der Asklepios Klinik Altona und Vorsitzender des medizinischen Beirats von Gospring.de.
Prof. Wülfing, kommt es einem nur so vor, dass Männer Vorsorgemuffel sind, oder gehen sie wirklich nicht zu den empfohlenen Untersuchungen?
Prof. Wülfing: „Nein, das stimmt absolut. Ich denke, wir Männer müssen uns da an die eigene Nase fassen: Wir wissen, dass das bei den Frauen tatsächlich viel besser funktioniert. Zwei Drittel der Frauen gehen zu Vorsorgemaßnahmen, und bei Männern sind es tatsächlich nur etwa 40 Prozent. Wobei man auch sagen muss: es war schon mal schlechter. Ich habe die vage Hoffnung, dass wir uns ein bisschen verbessern, aber zu den Frauen müssen wir noch aufholen.“
Und wie lässt sich erklären, dass Männer erst den Kopf unterm Arm haben müssen, um überhaupt mal zum Arzt zu gehen?
„Also wir Urologinnen und Urologen erleben die Ausreden tagtäglich: ,Nee, ich krieg das schon nicht‘, oder ‚Hach, ich will’s gar nicht wissen‘. Die Männer haben auch das persönliche Gefühl vom ‚starken Geschlecht‘, das nicht gestört oder beschädigt werden darf. Aber es sind auch Ängste, die natürlich zum großen Teil unberechtigt sind: Bei der Untersuchung könnte ja etwas Unangenehmes passieren. Aber auch die Angst, dass dabei etwas gefunden wird. Und das ist auch der große Unterschied zu Frauen, die im Übrigen schon gewohnheitsmäßig beim Einsetzen der Pubertät zum Frauenarzt gehen, weil die Mutter ja auch geht.
Und das ist bei Männern ganz anders. Dennoch: Diejenigen, die gehen, das wissen wir auch aus einer aktuellen Umfrage von GoSpring und Appinio, die geben an, dass es am Ende gar nicht schlimm war. Zwei Drittel haben sogar gesagt, sie fanden es beim Urologen einigermaßen angenehm.“
Aber welchen Themen versuchen denn Männer aus dem Weg zu gehen?
„Wir reden von sogenannten Tabu-Themen: Haarausfall ist unangenehm, Übergewicht ist unangenehm, intimere Angelegenheiten sind unangenehm, ebenso Geschlechtskrankheiten, aber natürlich auch Erektionsstörungen. Männer empfinden da eine Unzulänglichkeit und Erwartungsdruck, fühlen sich weniger männlich. Und wir sehen auch, dass sich einige Patienten den Schwarzmärkten zuwenden und Präparate besorgen, die nicht seriös sind. Diese falsche Scham ist gefährlich, denn am Ende ist die verschlechterte Potenz durchaus ein Indiz für etwas Schlimmeres.”
Was meinen Sie denn mit „Schlimmeres“? Welche Krankheiten können denn dahinterstecken?
„Der Penis ist auch die Antenne für das Herz. Wir wissen zum Beispiel, dass sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einer Verschlechterung der Erektion äußern, weil ja im Schwellkörper auch Durchblutung stattfindet. Das heißt, häufig beginnt es dort und ist damit ein Hinweis für ein erhöhtes Risiko zu Bluthochdruck oder Herzinfarkten. Und laut einer aktuellen GoSpring-Umfrage geben 39 Prozent der Befragten an, aufgrund von Hemmungen nicht mit dem Arzt über diese intimen Probleme zu sprechen. Deswegen ist es so wichtig, dass sich Männer mit diesen Beschwerden ganz offen mit einem Arzt austauschen können, um diese gravierenderen Störungen ausschließen zu können.“
Was muss also passieren, dass Männer – gerade im Hinblick auf ihre Gesundheit – verantwortungsvoller mit sich umgehen?
„Nicht zuletzt seit Corona beobachten wir eine Entwicklung, dass die digitalen Arztbesuche immer beliebter werden, weil man hier ohne Wartezeiten in einem geschützten Raum ist, ohne dass man die Hosen wortwörtlich runterlassen muss. Wichtig ist, dass man hier die vermeintlichen Tabuthemen aktiv ansprechen kann. Denn eine medizinisch gut aufgestellte Gesundheitsplattform wie GoSpring.de spiegelt den Ärzte-Muffeln auch ganz direkt, wann es an der Zeit ist, einen stationären Arzt in der Praxis aufzusuchen.“
Gibt es da schon Erfahrungswerte, also dass Männern der digitale Arztbesuch tatsächlich leichter fällt?
„Es gibt tatsächlich sehr fundierte Studien, die belegen, dass ein Anteil von ungefähr 70 Prozent der jüngeren Männer zwischen 25 und 34 sagt: ‚Wir können uns sehr gut vorstellen, zum Online-Urologen zu gehen.‘ Oftmals mit der Motivation einer schnellen Abhilfe für ein akutes Problem. Im höheren Alter, wenn dann die erste Prostata-Vorsorge mit etwa 50 Jahren ansteht, sind diese auch bereit, in eine echte Praxis zu gehen. Insofern kann man berechtigt hoffen, dass die Digitalisierung einen Weg schafft, die Männerwelt zum Arzt zu bewegen, langfristig gesünder zu halten und das etwas zerbrechliche Männlichkeitsbild dabei noch zu erhalten.“
Viele Untersuchungen zur Früherkennung werden von den Krankenkassen empfohlen und übernommen, hier eine Übersicht zu den wichtigen empfohlenen Voruntersuchungen. Insofern hoffen wir, euch mit dem Movember oder diesem Beitrag zum Internationalen Tag des Mannes mal wieder zu einem Besuch bei eurem Doc zu motivieren und euch um die Vorsorge zu kümmern.
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