Vorbeugen ist besser als heilen. Jeder von uns kennt diese simple ärztliche Weisheit und würde sie unterschreiben. Aber danach handeln? Das steht für viele auf einem anderen Blatt. Spätestens dann, wenn Prävention mit einem (selbst)kritischen Blick auf das eigene Leben verbunden wird, blocken wir ab. Mir ging es nicht anders, obwohl ich selbst Arzt bin. Erst meine Krebserkrankung brachte mich zum Umdenken. Heute weiß ich: Mit dem richtigen Lebensstil können wir Krankheiten tatsächlich vorbeugen – auch Krebs.
Ob Bewegungsmangel, schlechte Ernährung oder der tägliche Stress im Büro – so viele von uns betreiben Raubbau an ihrem Körper und ihrer Psyche. Wir glauben, es gäbe keine Alternative zu dem Lebensstil, den wir pflegen oder wir sehen keinen Anlass, etwas zu ändern. Es geht uns ja vermeintlich gut. Aber die weltweit zunehmende Zahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und psychischen Krankheiten spricht eine andere Sprache.
Meine Krankheit hat mich gelehrt, in einer Weise auf Körper und Seele zu achten, die mir als Arzt bis dahin fremd gewesen war. Als 2017 bei mir ein fortgeschrittenes Lymphom festgestellt wurde, war ich Anfang 40 und arbeitete in der pharmazeutischen Industrie. Heute gelte ich als geheilt. Und ich weiß: Krebsprävention beginnt mit dem Verständnis, dass Gesundheit eine ganzheitliche Angelegenheit ist.
Balance von Körper, Geist und Seele
Deshalb ist mein erster Rat: Sorge für Balance in deinem Leben, indem du auf deine körperliche Gesundheit achtest und gleichzeitig emotionale sowie mentale Stärke aufbaust.
Auf der körperlichen Ebene unterstützt eine bewusste Ernährung dein Immunsystem. Es braucht wichtige Nährstoffe, Vitamine und Mineralien wie zum Beispiel die Vitamine D und C sowie die Mineralstoffe Zink und Magnesium, aber auch pflanzliche Radikalfänger wie Polyphenole. Sie kommen natürlicherweise in pflanzlichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse oder Nüssen vor. Ein Bluttest gibt Aufschluss darüber, ob dem Körper etwas fehlt. Kein Nikotin, wenig oder kein Alkohol – diese Punkte muss ich kaum eigens betonen. Aber schütze dich möglichst auch vor Chemikalien und Umweltgiften, denen du regelmäßig in deiner Umgebung ausgesetzt bist.
Auf der mentalen Seite spielt Selbstliebe bei der Prävention eine entscheidende Rolle. Zu sich selbst gut zu sein, heißt Grenzen setzen und Stress minimieren, um das Immunsystem optimal zu unterstützen. Folgende Routinen, die auch ich in mein Leben integriert habe, helfen dir dabei.
- Dankbarkeitstagebuch führen
Damit konzentrierst du dich auf das, was wirklich wichtig ist. Durch tägliche Reflexion steigerst du deine mentale Widerstandskraft und lenkst den Blick bewusst auf Positives im Leben. Nach heutigem Stand der Forschung kann Dankbarkeit Angst und Panik mindern sowie vor Depressionen schützen.
- Bewusst ruhig und tief atmen
Es gibt verschiedene äußerst wirksame Atemübungen. Die einfachste kannst du jederzeit und überall machen. Konzentriere dich auf deinen Körper, während du ruhig und tief durch deine Nase atmest. Achte auf deinen Bauch, der sich im Atemrhythmus bewegt. Jedes Einatmen und jedes Ausatmen sollte ungefähr sechs Sekunden dauern. Atme auf diese Weise mindestens zwanzig Mal ohne Pause.
- Zeit in der Natur verbringen
Frische Luft und Natur beruhigen den Geist und stärken ebenfalls das Immunsystem. Studien zeigen, dass regelmäßige Spaziergänge im Grünen Stress abbauen und zur Heilung beitragen können. Ob im Wald oder im Park ist nicht entscheidend, aber ein Bummel durch die Fußgängerzone deiner Stadt wirkt nicht. Lass dich während deiner Spaziergänge nicht durch Telefonate, Nachrichten oder Gespräche ablenken, sondern gehe ganz langsam und bewusst spazieren. Spüre dein Gehen, das Aufsetzen und Abrollen der Füße. Auch das ist eine einfache Achtsamkeitsübung.
- Intervallfasten für den Stoffwechsel
Diese Ernährungsmethode fördert die Autophagie und damit die körpereigenen Selbstheilungskräfte. Der Begriff Autophagie stammt aus dem Altgriechischen; er bedeutet „sich selbst verzehrend.“ Im Zustand der Autophagie werden in einem natürlichen Prozess alte, beschädigte oder nicht mehr benötigte Bestandteile in den Zellen unseres Körpers „verzehrt“, also abgebaut. Während wir fasten, reparieren sich unsere Zellen und erneuern sich. Entzündungen werden reduziert, der Zucker- und Fettstoffwechsel verbessert.
Intervallfasten heißt, den Tag in Intervalle des Fastens und des Essens einzuteilen. Ich empfehle den 8:16-Rhythmus, mit dem ich selbst sehr gut zurechtkomme. Also: Acht Stunden lang kann ich essen, danach gibt es sechzehn Stunden lang keine Kalorien, nicht mal einen Milchkaffee. Erlaubt sind Wasser, ungesüßter Tee und etwas ungesüßter Kaffee. Zu meiner bewussten Ernährung gehört aber auch bewusstes Fastenbrechen: Einmal in der Woche ist „Cheat day“, da esse und trinke ich, was und wann ich möchte. Wem sechzehn Stunden zu lang erscheinen, kann mit einer zwölfstündigen Pause anfangen und die Fastenzeit dann langsam steigern.
Noch ein Hinweis: Wer chronisch krank oder in einer Behandlung ist, sollte vor eine Umstellung auf Intervallfasten mit seinem Arzt oder seiner Ärztin sprechen.
- Regelmäßig meditieren
Achtsamkeit und Meditation fördern das innere Gleichgewicht und stärken die Resilienz. Seit Jahrtausenden praktizieren Menschen in vielen Religionen und Kulturen verschiedene Formen der Meditation. Die positiven Effekte sind längst von der Wissenschaft bestätigt. Meditation kann dein gedankliches Trommelfeuer stoppen. Du erlebst tiefe Ruhe. Blockaden und Verspannungen werden gelöst, der Geist wird freier und klarer.
Auch regelmäßige Achtsamkeitsübungen helfen dabei, mit potenziell krankmachendem Stress besser umzugehen und das Immunsystem zu unterstützen. Das beweist unter anderem eine klinische Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig sowie der Forschungsgruppe Soziale Neurowissenschaften der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin. Forscher ließen die Teilnehmenden über mehrere Monate verschiedene Achtsamkeitsübungen praktizieren und überprüften regelmäßig den Wert des Stresshormons Cortisol im Haar der Probanden. Nach drei Monaten waren die Stresswerte um bis zu 25 Prozent gesunken.
Optimismus und Selbstliebe für die innere Haltung
Studien belegen außerdem: Liebe – auch Selbstliebe – und positive Emotionen können im Fall einer Erkrankung die Heilung unterstützen. Mit unseren Gefühlen, Überzeugungen und Glaubenssätzen bestimmen wir darüber mit, wie es uns geht. Für mich ist die innere Haltung der zentrale Punkt eines jeden persönlichen Gesundheitssystems.
Aber machen wir uns nichts vor: Auch eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung im Grünen, Achtsamkeit und gutes Stressmanagement bedeuten keinen Komplettschutz vor Krebs. Andere Faktoren wie die genetische Disposition spielen ebenfalls eine Rolle. Deshalb sind ärztliche Vorsorgeuntersuchungen und Kontrollen so wichtig. Auch sie gehören zu einer eigenverantwortlichen Krebsprävention.
Meine Erkenntnis und mein Appell:
Jeder Einzelne kann seine eigene Gesundheit viel besser unterstützen, als er vielleicht denkt. Auf geistiger, seelischer und körperlicher Ebene ist unser Einfluss enorm, er ist stärker und wirksamer als viele Therapien von außen, denen wir uns nur ergeben und die wir über uns ergehen lassen. Fang also lieber heute an, dich an erste Stelle zu setzen, als dich irgendwann von einer Krankheit dazu zwingen zu lassen – so wie ich es getan habe.
Mehr Infos gibt es auf der Website von Dr. Achim Zinggrebe und bei Instagram.