Wer uns aufmerksam liest, der hat kürzlich bereits in einem Gastbeitrag von Arne Ulbricht erfahren, dass es den Lehrer und Autor mit der Familie von Wuppertal nach Göteborg verschlagen hat. Kurze Zeit, bevor er die Koffer gepackt hat, landete sein Roman „Schilksee 1990“ in den Buchläden. Und weil das eine Hommage an die Teenie-Zeit in den 90ern ist und er uns auf eine lustige Zeitreise nach Kiel mitnimmt zu Schallplatten, erster Liebe und Jungsfreundschaft, stellen wir euch das Buch heute vor. Denn viele von Euch werden sich auf dieser nostalgischen Tour an die eigene Jugend erinnern.
Starten tut das Buch allerdings im Hier und Jetzt. Es erzählt die mit vielen autobiografischen Elementen gespickte Geschichte vom plötzlich erfolgreich gewordenen Autoren Fabian Herzog, der sich trotz SUV immer noch für einen Umweltaktivisten hält, mit seiner Frau in einer unbefriedigenden und eintönigen Ehe feststeckt und sich mit seiner pubertären Tochter reibt. Insbesondere wegen derer aus seiner Sicht viel zu massiven digitalen Aktivitäten. Er findet, dass uns das Internet viel von der unbeschwerten Jugend nimmt und dass er als Teenie viel intensiver gelebt – und geliebt – hat. Sein Wunsch, nochmal das Jahr 1990 zu erleben, wird erhört. Und so wacht er eines Morgens im zarten Alter von 17 Jahren im Oktober 1990 auf und erlebt Abenteuer und viel Flens mit seinen Freunden, die erste Liebe mit Juli und das Kieler Nachtleben in der Traumfabrik.
Warum mich dieses Buch begeistert hat, ist weniger das literarische Gesamtwerk als vielmehr die vielen kleinen Momente, die mich in meine eigene Jugend zurückgebeamt haben. Das mag daran liegen, dass die Hauptfigur Fabian und ich fast gleich alt sind und ich einige Jahre während meines Studiums in Kiel gewohnt habe. Und auch wenn ich mehr Zeit im Nachtcafé oder dem Max verbracht habe, so war ich durchaus auch in der „Trauma“ unterwegs und kenne natürlich auch den Strand in Schilksee. Und das Lebensgefühl inklusive jugendlichem Leichtsinn und der Unbekümmertheit der 90er.
Das „Schilksee 1990“ an der Ostsee spielt, ist aber zweitrangig. Was das Herz erwärmt, sind die besonderen Erlebnisse, die eben nur die Generation X in dieser Form erleben konnte. Eine Jugend, in der Schallplatten und Mixtapes einer Religion gleichkommen. Wo Cure gehört wurde, es Grufties gab und sich Mädchen noch nicht komplett rasiert haben. Wo Liebesbriefe nachts bei der Angebeteten in den Kasten geworfen wurden, wo zuviel Bier getrunken wurde und wo die Wiedervereinigung das politische Hauptthema war.
In den 90ern habe ich auch viel Sport gemacht, mich mit Skinheads geschubst, Pogo getanzt, oft und viel getrunken, New Model Army gehört und auf dem Fahrrad mit ein paar Kumpels die Welt erobert. Ich habe mich zwar nie für klassische Musik begeistert, hatte aber auch eine Stereoanlage mit Fernbedienung und habe mich aus Protest gegen radioaktiven Müll den Wasserwerfern gegenübergestellt. Und so habe ich viele Parallelen erkannt, oft geschmunzelt oder zustimmend genickt und mitgefühlt. Das es am Ende mit der großen Liebe nicht klappen wird, ist durch das Intro ja bereits klar. Trotzdem funktioniert diese Teenager-Liebe ganz großartig als roter Faden, unterbrochen von Erlebnissen der pubertären Jungs.
Während die Einleitung des Buches eher unterhaltsam und etwas ordinär den Zustand und die Gefühlswelt von Fabian Herzog kurz vor dem fünfzigsten Geburtstag beschreibt, ist der Teil über seine Jugend in Kiel ein wunderschöner Blick auf eine besondere und unvergessliche Jugend, die ich zu großen Teilen ähnlich erlebt habe. Um zu erfahren, wie es Fabian ergangen ist und wieviel von „Schilksee 1990“ in euch selbst steckt, solltet ihr das Buch einfach lesen. Es lohnt sich.
- Ulbricht, Arne(Autor)
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